So schon mal gar nicht!

Es gehe nicht darum, bloß einen Monarchen zu preisen, kontert Milde, sondern einen Monarchen, der keine Kriege geführt habe. Ein Signal für die heutige, von Interventionen, Waffenhandel und Machtdurchsetzung geprägte Zeit: "Seht mal, hier ist jemand, der hat sich einfach rausgehalten." Dass es dem Grafen gelungen war, den Feldmarschall Tilly von der Belagerung und Eroberung der Stadt abzubringen, habe durchaus an seinem diplomatischen Geschick gelegen, räumt auch der Historiker Heinrich Schmidt, Emeritus der Universität Oldenburg für mittelalterliche Geschichte, ein. Besondere Friedensliebe werde da allerdings eher eine untergeordnete Rolle gespielt haben, die Erhaltung seiner Herrschaftsposition die viel bedeutendere. Denn was wird dem Gebieter über die kleine, schwächliche Grafschaft auch schon übriggeblieben sein, als das riesige kaiserliche Heer vor der Stadt auftauchte?

Und wo man gerade beim Thema sei: Auch die heute so hochgejubelte Oldenburger Pferdezucht gehe nur sehr bedingt auf Anton Günther zurück, sagt Schmidt. Warum der Graf seit Jahrhunderten verklärt, romantisiert und zu einer Art unsterblichem Landesvater stilisiert worden sei, ist dem Historiker nach wie vor rätselhaft. Schmidt vermutet, dass es sich um eine diffuse Sehnsucht nach "guten alten Zeiten" handelte. Anton Günther war der letzte der Oldenburger Grafen, nach seinem Tod fiel das Ländchen an Dänemark, dann kamen Napoleon und dann, o Graus, die Herzöge von Holstein-Gottorf, lauter Fremdherrscher. Der Graf hingegen wurde als Identifikationssymbol für ein Volk aufgebaut, das eine solche Figur auch nötig zu haben schien, da es überhaupt keine gemeinsamen Wurzeln habe.

Allein, der Prominenz des Grafen tun solche Relativierungen keinen Abbruch. Sie erhielten viel Zuspruch aus der Bevölkerung, berichten Milde und Mitinitiator Bernd Eylers, interessanterweise auch aus dem Umland, das von Anton Günthers Verhandlungsgeschick wenig hatte, da Tillys Heer zwar die Stadt, aber nicht die Umgebung schonte. In Innenstadtgeschäften liegen Unterschriftenlisten aus, es ist schon eine vierstellige Zahl zusammengekommen. Und in der "Nordwest-Zeitung", der einzigen Tageszeitung der Stadt, haben die beiden einen mächtigen Verbündeten, der sich für das Denkmal und den "angemessenen" Standort stark macht, den Milde und Eylers ins Spiel gebracht haben: am Schloss, in dem der Graf dereinst residierte und das mitten in der Oldenburger Innenstadt steht. Dabei gibt es sogar schon ein Reiterstandbild des Grafen in der Stadt: kleiner, bescheidener und abstrakter als das wuchtige Monument von Milde und Eylers; aus rostigen Schrottteilen zusammengeschweißt. Die Arbeit eines Abiturienten, es steht vor dessen Schule, nur wenige hundert Meter vom Schloss entfernt. Aber das ist wohl nicht das Richtige.

Der Kulturausschuss der Stadt, von der Präsentation des Bronzegrafen ebenso überrascht wie alle anderen, zeigte sich in seiner letzten Sitzung wenig begeistert. Die historisierende Form des Denkmals sei ebenso wenig angemessen wie die Vorgehensweise, sagt Hans-Richard Schwartz, ehemaliger Vorsitzender des Ausschusses, der sich ansonsten durchaus für die Idee eines Denkmals für den Grafen erwärmen kann. Aber eben nicht für so eines.

Das ficht die Initiatoren nicht an. Man sei doch ohnehin gar nicht an die Stadt herangetreten, sagt Milde, sondern gleich an das Land Niedersachsen. Der Grund: Das Schloss und das umgebende Grundstück sind im Landesbesitz; im Schloss selbst befindet sich das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte. Dessen Leiter, Rainer Stamm, hat bereits dankend abgelehnt. Zum einen, sagt Stamm, stelle er nachdrücklich in Frage, ob es überhaupt angebracht sei, im 21. Jahrhundert einem frühneuzeitlichen Feudalherrscher ein Denkmal zu setzen, und dann auch noch in dieser Form. Zum anderen sei die Art, wie die Initiatoren der Stadt das nach ihren Vorstellungen gestaltete Denkmal "aufzwingen wollen", höchst fragwürdig. Zu einem ähnlichen Schluss war auch der Kulturausschuss gekommen, der die Erarbeitung von "Richtlinien für die Aufstellung von Kunstwerken im öffentlichen Raum" anregte, um genau so etwas künftig zu regulieren.

Grafenehrungsrichtlinienkompetenz

Mittlerweile hat man die Ebene des Hitler-Vergleichs erreicht: Diese Richtlinien bedeuteten nichts anderes als Zensur, wütet Milde und setzt nach: "Das hatten wir schon mal." "Unverschämtheit", raunen Ratsmitglieder angesichts dieses Vorwurfs. Warum sie über ihre Pläne nicht von Anfang an das Gespräch mit der Stadt gesucht hätten, noch vor der Herstellung der Statue? Milde schüttelt den Kopf: "Dann würde es kein Denkmal geben. Alles wäre zerredet worden, und wer hätte es bezahlen wollen? Die Kritiker bestimmt nicht." Eylers verweist darauf, dass es zu dem Vorhaben schon mal einen Zeitungsartikel gegeben habe, vor einem Jahr etwa, interessiert habe das offenbar niemanden. Er rede ohnehin lieber mit anderen Leuten, solche Entscheidungen sollten "nicht von immer denselben fünf Personen getroffen" werden.

Doch auch das Land Niedersachsen mag nicht mitspielen. Kulturministerin Johanna Wanka ließ Milde - der sich an den Ministerpräsidenten David McAllister gewandt hatte, nachdem Wanka sich nicht zurückgemeldet hatte - kürzlich abblitzen. Die Flächen am Schloss seien für das Denkmal "nicht geeignet", er solle sich mit der Stadt und ihren Richtlinien verständigen. Milde, der altgediente Landespolitiker, schlägt einen anderen Weg ein und hat sich mittlerweile an den Petitionsausschuss des Landtags gewandt, in der Hoffnung, dass das Denkmal dann auch im Plenum diskutiert wird. Und die "Nordwest-Zeitung" erhob den Denkmalstreit in einem Kommentar sogar schon zum Wahlkampfthema für die Landtagswahl 2013. In der Silvesterausgabe der Zeitung fand sich ein ganzseitiges Foto des Denkmals mit der Überschrift "Er wird kommen".

Und wenn alles schiefgeht? "Dann", sagt Milde achselzuckend, "steht der Graf eben im Garten der Familie Dirks." Klaus Dirks war der dritte Denkmalinitiator und der Finanzier der Statue. Ende August ist er verstorben. Seine große Todesanzeige in der "Nordwest-Zeitung" zierte kein Kreuz und kein Kranz, sondern ein Bild des Bronzegrafen.

Graf Anton Günther nach Oldenburg

"Natürlich gehört Graf Anton Günther nach Oldenburg und auf den Schlossplatz – neben sein „Haus... Das wäre ein wunderschönes Bild."

Udo Lux, Oldenburg

Skulptur auf den Oldenburger Schloßplatz

"Ich wünsche mir, dass die Bronze-Skulptur „Graf Anton Günther und sein Kranich“ demnächst auf dem Schlossplatz steht."

Ingeborg Deeke, Oldenburg

Geschichte Oldenburgs mit Graf Anton Günther verbunden

"Wenn es um die Geschichte Oldenburgs geht, ist sie doch untrennbar mit Graf Anton Günther verbunden... Zu „unserem“ Grafen gehört sein Schloss, da sollte es kein Wenn und Aber geben...

Isolde Sudmann, Oldenburg