Streit um Oldenburger Reiterstandbild
Weser-Kurier vom 16.01.2012
Oldenburg. "Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul", sagt der Volksmund. "Und wer doch guckt, muss sich auf Ärger einstellen", ließe sich mit Blick nach Oldenburg ergänzen: Dort bekam die Stadt wirklich einen Gaul geschenkt, mit Ex-Regent Graf Anton Günther auf dem Rücken. Doch weder Stadt noch Land möchten die Bronzestatue von Ross und Reiter haben - nun steht sie erst mal in Hude.Von Alexander Schmolke
Es hätte so eine schöne Geschichte sein können. Drei Bewunderer von Graf Anton Günther (1583-1667) wollten dem berühmtesten Regenten der Oldenburger Geschichte eine Rückkehr in seine einstige Heimat ermöglichen. Sie investierten viel Zeit und Geld, um - vor dem Schloss - ein Reiterstandbild von ihm aufzustellen. Doch dann wurden sie zurückgepfiffen - und es entwickelte sich eine Geschichte zwischen Posse und Trauerspiel.
In dem Stück spielen Horst Milde, einst Oberbürgermeister Oldenburgs sowie niedersächsischer Landtagspräsident, und Kulturministerin Johanna Wanka mit, am Rande auch Ministerpräsident David McAllister. Und natürlich Graf Anton Günther, der von 1603 bis 1667 die Stadt regierte. Er ist unter anderem Namensgeber einer Schule, einer Apotheke und einer Reithalle, große Wandbildnisse und -mosaike in der Stadt zeigen ihn auf dem Rücken seines treuen Pferdes Kranich, Ross und Reiter führen alljährlich den Kramermarktsumzug an.
Horst Milde sieht den Grafen als Volkshelden. Er habe Oldenburg davor bewahrt, in den 30-jährigen Krieg hineingezogen zu werden, den Kramermarkt begründet, eine herausragende Rolle in der Pferdezucht gespielt. "Er war ein Friedensfürst, seine Regentschaft war eine segensreiche Zeit", findet Milde. Das sieht so mancher Politiker der Stadt anders: "Letztlich hat er sein Volk als absolutistischer Herrscher genauso behandelt wie andere - nämlich zu seinem eigenen Nutzen", sagt etwa Sebastian Beer, Fraktionssprecher der Grünen.
100.000 Euro Kosten
Und trotzdem: Hätten Milde und seine Mitstreiter, der Huder Künstler Klaus Eylers sowie der Unternehmer Klaus Dirks, ein kleines Denkmal an irgendeine Straßenkreuzung gestellt, wäre das wohl kein Problem gewesen. Die drei gaben jedoch bei Walter Hilpert, einem renommierten Pferdemodellierer, eine überlebensgroße Bronzestatue vom Grafen in Auftrag. Die Kosten von 100000 Euro übernahm Dirks. Ein großzügiges Geschenk also, das nach Meinung der Stifter an einen prestigeträchtigen Standort gehört: "Das Schloss war die Residenz des Grafen, hier sollte an ihn erinnert werden", sagt Milde. Dafür werde er sich mit aller Kraft einsetzen, versprach er seinem Freund Dirks noch kurz vor dessen Tod, Ende August 2011.Zu diesem Zeitpunkt war bereits eine heftige Diskussion über die Statue entbrannt. So wie über die historische Einordnung des Grafen, war man auch über die detailgenaue Darstellung in historischer Herrscherpose mit vorgestrecktem Schwert geteilter Meinung. "Keine zeitgenössische Kunst, historisch nicht tragbar", befanden Kritiker, der Historiker Stephan Scholz sagte etwa: "Die überholte Pose herrschaftlicher Repräsentanz ist in einer pluralistischen Gesellschaft inhaltsleer und anachronistisch." Milde hielt dagegen: "Über Kunst kann man streiten, aber wir halten das konkrete Abbild für am besten geeignet, Kinder oder Touristen mit dem Wirken von Graf Anton Günther vertraut zu machen."
Dass von so manchem Oldenburger Meinungsmacher und Politiker - auch Oberbürgermeister Gerd Schwandner zeigte sich wenig angetan von der Statue - keine Unterstützung kam, war für die Grafen-Freunde ärgerlich, aber nicht maßgeblich: Da sich das Schlossareal im Landesbesitz befindet, bat Milde Ende September 2011 Kulturministerin Wanka um eine Genehmigung für die dauerhafte Aufstellung des Standbilds. "Doch zunächst habe ich zwei Monate gar nichts gehört", sagt Milde. Erst nachdem er eine Petition in den Landtag eingebracht und Ministerpräsident McAllister auf den Sachverhalt hingewiesen habe, sei eine Antwort gekommen - eine ablehnende: Wanka wollte den Grafen nicht am Schloss haben. Dass Schwandners Ehefrau Annette als Abteilungsleiterin in Wankas Ministerium arbeitet, registrierte mancher Denkmalfreund verärgert.
Der Ton verschärfte sich infolgedessen. "Den Anfang von Zensur" nannte Milde die von der Ministerin befürworteten "Leitlinien für Kunst im öffentlichen Raum", die Oldenburgs Kulturausschuss inzwischen erarbeitete und nach denen das Reiterstandbild erst einmal bewertet werden müsse. Weiter kritisierte er, dass die Denkmalgegner sich nur dem Zeitgeist statt "dem Willen der übergroßen Mehrheit der Bürger" verpflichtet fühlten.
Diese Mehrheit sieht Milde auf seiner Seite: "Bürgervereine und Fremdenführer sind für das Denkmal, es gibt 2000 Unterschriften für den Schloss-Standort." Bei einer Umfrage hätten sich 86 Prozent der 646 Befragten für eine Aufstellung am Schloss ausgesprochen. Darauf wies Milde jetzt Ministerin Wanka in einem weiteren Brief hin, mit Kopie an McAllister. Zudem brachte er den Artikel 72 der Landesverfassung ins Spiel, laut dem die kulturellen und historischen Belange ehemaliger Länder wie Hannover oder eben Oldenburg zu fördern sind. "Nun hoffe ich, dass die Ministerin ihre ablehnende Haltung überdenkt", sagt der Ex-OB. "Falls nicht, wäre das eine grobe Missachtung des Volkswillens und eine Schande für unsere Demokratie!" Eine Antwort Wankas steht noch aus.
Und der Bronze-Graf? Er hat vorerst auf dem Hof von Bernd Eylers in Hude Unterschlupf gefunden und harrt auf dem Rücken von Kranich der Dinge, die da kommen. Wie die Geschichte auch endet, die Obdachlosigkeit droht ihm immerhin nicht, wie Horst Milde erzählt: "Ich bekomme jede Menge Anrufe von Menschen, die die Statue mit Kusshand nehmen und aufstellen würden." Doch noch will er weiter für den Standort kämpfen.