3. HAUPTTEIL (ca. 10:00 min)

Musik: Heitere Klassik (Mozart/Händel)
Szene: Ein gräflicher Salon. Im Kamin lodert ein Feuer, auf einem Fell davor lagert ein stattlicher Hund. Dazu ein großer schwerer Tisch, auf dem Kerzen brennen und eine funkelnde Weinkaraffe und zwei Gläser bereit stehen.
Hinter dem Tisch ein prächtiger Lehnsessel, rechts an der Strinseite ein einfacherer Stuhl.
Johann Just Winkelmann kommt eilig ins Bild. Er trägt moderne »urbane« Bekleidung (Basecap / Kapuzensweatshirt Beuteljeans / Sneakers / Sonnenbrille), über der Schulter eine Umhängetasche, im Gesicht rote Lippenstiftspuren. Winkelmann dreht sich schnell noch einmal um, winkt mit en Händen wegscheuchend in Richtung außerhalb des Bildes, macht mit Finger auf dem Mund »Psssscht!«, wirft schnell noch einen enthusiastischen Handkuss hinterher, geht an den Tisch und nimmt im Stuhl an der Schmalseite Platz.
Er sieht sich leicht fremdelnd in dem altertümlichen Salon um, schenkt sich schnell ein Glas Wein ein und kippt es in einen Zug weg.
Nach erneutem kurzen Umsehen in dem leeren Saal öffnet er die Tasche, zieht einen Tablet-Computer (iPad) heraus, legt ihn vor sich auf den Tisch, entsperrt ihn mit einem Zeigefingerwisch und starrt nach zwei, drei Tippsern auf das leuchtenden Tablett vornüber gebeugt auf’s Display.
Die sich nähernde Kamera zeigt: Winkelmann betrachtet angeregt eine deftige Softporno-Seite ...
Im Lehnsessel erscheint Graf Anton Günther (GAG). Er trägt die Kleidung, die man auch von der Kramermarkts-Eröffnung kennt (Spitzenkragen, Schärpe etc.). Nur ist das alles und auch der Graf selbst ziemlich grau, weil dick eingestaubt. GAG kommt diesmal etwas flotter zurück als im Teaser: Er reißt die verstaubten, geschlossenen Augendeckel so plötzlich auf wie ein Vampir um Mitternacht, sieht sich sofort orientierend um und entdeckt Winkelmann.
GAG
Winkelmann! ... Er auch hier! ... Und sogar pünktlich! ...
Der überraschte Winkelmann springt auf, reißt wie vollautomatisch die Basecap vom Kopf und macht dann (nach kurzem irritierten Innehalten und Überlegen) einen etwas aus der Übung geratenen, altbacken-höfischen Kratzfuss.
WINKELMANN
Euer ... Hochgeboren! Welche Freude ... Nach so langer Zeit ... Wünsche, wohl geruht zu haben!
GAG
(klopft sich so angewidert wie energisch den Staub von Brust und Armen)
Je nun, wer das faule Herumliegen mag ... so wie Ihr ... Erschien mir in letzter Zeit überdies unangenehm warm, meine Gruft in Lamberti ... Dachte bereits schon an so eine Art Erderwärmung!
WINKELMANN
(peinlich berührt, verlegen)
Auch, ja ... Aber Ihr und Eure Frau ... also Eure Gemahlin ...
GAG
Gemahlin? ... Ach ja. Wie hieß sie noch?
WINKELMANN
Äh ... Sophie. Sophie von Holstein-Sonderburg, die wunderbare –
GAG
Ach ja, meine kleine fruchtlose Sophie ...
WINKELMANN
Und nun ja, Hochgeboren ... Eurer beider Sarkophage, die lagen die letzten vierzig Jahre, so habe ich herausgefunden, im Internet gibt’s a sogar ein Foto von, die lagen nicht mehr in Eurer angestammten Gruft, sondern ...
GAG
Sondern?
WINKELMANN
(windet sich ein wenig)
Sondern ... Sie geruhten die letzten Jahrzehnte in einem Heizungskeller zu ruhen, Hochgeboren.
GAG
(versteht nicht)
Hei-zungs-keller? Ich verstehe nicht, Winkelmann.
WINKELMANN
Ich ja auch nicht, Hochgeboren! Aber nun haben Eure Sarkophage wieder einen sehr schönen Platz in der Kirche ... Sogar im Erdgeschoss diesmal ... (wechselt lieber schnell das Thema) Gütiger Gott! Hochgeboren, jetzt seid Ihr schon im vierhundertreißigsten Lebensjahr ... doch wirkt allerhöchstens wie ein- oder zweihundert! Ihr seht großartig aus!
GAG
(zeigt auf Winkelmanns Klamotten)
Ihr nicht. Trägt man sowas heute?
Winkelmann schaut kurz irritiert an sich herunter, reißt sich dann schuldbewusst wieder die Basecap vom Kopf, zerrt eine schäbige Sechzehntes-Jahrhundert-Perücke aus der Tasche und stülpt sie sich hastig und unordentlich über.
GAG
Keine Zeit zum Schleimen, Winkelmann. Der Tod hat mich betrogen, der Lump! Zehn Pferde, meine fast allerbesten ... Dachte, dafür bekäme ich zehn Jahre Wiederkehr ... Aber es sind nur zehn Minuten! Also, in medias res, Winkelmann! Welches Jahr zählen wir?
WINKELMANN
Zweitausendunddreizehn.
GAG
Don-ner-wet-ter. Ein neues Jahrtausend! Und die Welt ist immer noch nicht untergegangen?
WINKELMANN
Vor ein paar Monaten sollte sie eigentlich ... aber es hat scheinbar noch nicht ganz geklappt.
GAG
Ein Grund mehr zur Eile. Kommt! Referiert, Winkelmann! Was ist seit meinem Tode geschehen? Schnell ... schnell ...
WINKELMANN
(denkt kurz nach, steht auf und wedelt lächelnd mit den Armen)
Die Menschen können fliegen ...
GAG
(blickt unwillkürlich nach oben)
Flie-gen?
WINKELMANN
(wedelt noch kurz weiter, hält dann inne)
Ja! ... Nicht mit den Armen – mit Maschinen!
GAG
(legt fragend den Kopf schief)
Ma-schiii-nen?
WINKELMANN
Motoren!
GAG
Mo-tooo-ren?
WINKELMANN
Motoren! Maschinen, die Kraft haben! Wie Ochsen und Pferde. Aber Kraft aus Dampf, aus Erdöl, aus aus Strom, aus Sonne, aus Wind, aus Wasser ... aber das Allertollste, was es gibt, das ist ...
Winkelmann greift wie ein Internetsüchtiger schon wie in Trance zum Tablettcomputer und will ihn aktivieren, hält inne, ergreift als Übersprungshandlung stattdessen sein leeres Glas und hält es dann etwas sinnlos in der Hand.
GAG
Winkelmann, was redet er? Hat er wieder gesoffen?
WINKELMANN
Die Menschen sind sogar auf den Mond geflogen!
GAG
Der Suff, Winkelmann ... und die Weiber, das macht aus dem besten Mann einen elenden. Einen erbärmlichen. Und aus einem wie Ihr seid, Winkelmann, da macht es.
Winkelmann greift entschlossen nach dem Tabletcomputer und aktiviert ihn. Im schummrigen Salon wird sein Gesicht plötzlich gespenstisch »erleuchtet«.
GAG
(leicht zurückschreckend, aber trotzdem neugierig)
Was hat er da, Winkelmann? ... Ein Licht?
WINKELMANN
(begeistert fuchtelnd)
Ein ... einen Rechner. Eine Rechenmaschine, Hochgeboren, eine Zauberkiste, ein Zauber-Ding! Sie nennen es Com-pju-ter!
GAG
(beugt sich vorsichtig vor und blickt aufs leuchtende Display)
Komm-pju-ter. So-so. Sieht mir eher nach nacktem Weibsvolk aus ...
Auf dem Display ist das Foto einer nackten Frau zu sehen. Winkelmann deaktiviert das Zauber-Ding eilig wieder und es demonstrativ wieder von sich weg. Aber auch nicht zuuu weit weg ...
GAG
Sagt, Winkelmann, wie geht es meinem Oldenburg? Und wie meinen Oldenburgern ... und Oldenburgerinnen?
WINKELMANN
Gut! Sehr gut geht es denen. Fast so gut wie zu Euren Zeiten ...
GAG
(leicht selbstzufrieden)
So-so ... und wie steht es um meinen Nachruhm, Winkelmann? Das viele Geld für Euch und den Druck meiner Grafen-Chronik, hat es gelohnt? Denken meine getreuen Untertanen noch an mich?
WINKELMANN
Oh ja! Sehr sogar! Jeder Oldenburger kennt den Herrn Grafen! Dank der berühmten Winkelmann-Chronik „Oldenburgische Friedens- und der benachbarten Oerter Kriegshandlungen“ ... Aber natürlich vor allem Dank Eurer weisen ...
GAG
(streicht sich schwer selbstzufrieden den Spitzbart)
Wahrhaftig! Immer noch ...
WINKELMANN
Ja, bei der Eröffnung des Kramermarkts zum Beispiel ...
GAG
Kramermarkt? Mein Kramermarkt? Immer noch? ...
WINKELMANN
Ja! Jeden Herbst! Zehn Tage lang! »Die Fünfte Jahreszeit« nennt es das Volk. Und jedes Jahr reitet zur festlichen Eröffnung ein Mime in prächtigem Gewand verkleidet als Ihr, Herr Graf, auf einem prachtvollem Schimmel durch sein begeistert ihm zujubelnden Volk und …
GAG
Und wie sieht der aus?
WINKELMANN
Der Schimmel? Prachtvoll!
GAG
Der Mann, der mich darstellt!
WINKELMANN
Blendend! ... Aber natürlich nicht so blendend wie Ihr, Hochgeboren. Doch-doch, Ihr seid selbst nach Jahrhunderten noch eine Legende! Eine Straße wurde hier in Oldenburg nach Euch benannt, habe ich herausgefunden, ein Gymnasium ... und ... und eine Apotheke ... und eine Oldtimer-Ralley ...
GAG
(verträumt)
... und Denkmäler wurden mir errichtet ...
WINKELMANN
(schweigt kurz betreten)
Ja ... Denkmäler ... Ja, doch, in Elsfleth, da wurde Euch ein Denkmal errichtet ...
Winkelmann aktiviert den Tabletcomputer, tippt kurz einen Link und schiebt dann das Gerät auf der Tischplate zum Grafen hinüber.
Schnitt auf’s Computerdisplay. Dann Ganzbild: Das Graf Anton-„Minidenkmal“ in Elsfleth.
GAG
(Off, entsetzt)
Was ist das? ... Das ist doch kein Pferd. Das ist doch ein Pony! Und das bin doch nicht ich! Das ist ein Zwerg! ...
Schnitt auf GAG, der ruckartig hinter seinem Tisch aufsteht. Man sieht, dass GAG wirklich ein beachtlich großer (1,85 m) und andererseits auch umfangreicher Mann ist. Kurz: Graf Anton ist wie Obelix „nicht verkümmert“.
WINKELMANN
(Off, eilfertig und eifrig)
Genau das sagt das Volk auch! »Dat iss doch nich use Groof!« ...
GAG
(fuchtelt wütend herum)
Diese verwunderliche Brunnenfigur soll ein Denkmal sein? Was in Gottes Namen bedeutet das, Winkelmann? ... Und in Oldenburg? In ganz Oldenburg ist kein einziges Denkmal von mir?
WINKELMANN
(Off, sehr verlegen)
Ääh ... Doch. Dieses hier ... Vor der Schule, die nach Euch benannt ist ...
Bildwechsel: Das »Schrottreste«-Reiterdenkmal vor der Graf-Anton-Günther-Schule
GAG
(Off)
Was ist das wieder für ein Unfug, Winkelmann? Was soll das sein?
WINKELMANN
(Off, völlig ratlos, verzweifelt)
Ich weiß es nicht, Hochgeboren! Sie nennen es »mo-dern«! Moderne Kunst ...
GAG
Mo-dern? Papperlapapp! Was soll denn diese Kunst uns sagen? Dass ich zum rostigen Eisen gehöre?
Schnitt: GAG schlägt mir der Faust auf den Tisch.
Er tut sich dabei weh und lutscht an seinen Daumen, während er sich resigniert seufzend wieder hinsetzt.
WINKELMANN
(Off, verzweifelt)
Ich weiß es nicht, Euer Hochgeboren! Ich versteh es ja selber nicht! Ich glaube, keiner versteht es! ... Aber ein Denkmal, ein Denkmal von Euch gibt es, Hochgeboren! ... Hier! ... Seht! ...
Bild: Das neue Reiterstandbild von Graf Anton Günther
WINKELMANN
(off, anpreisend)
Ein prachtvolles Bronzedenkmal! Und Euer Kranich fast noch prächtiger als Ihr selbst, Hochgeboren!
GAG
(absolut hingerissen, nimmt das Tablet dicht vor sein Gesicht)
Mein alter Kranich! ... Ach ... Wusstet Ihr, Winkelmann, dass ich mir Schweif und Mähne meines Lieblings bewahrt hab nach seinem Tode? ... Als Andenken an ein Wesen, dass ich geliebt habe wie meine eigene Frau? Nur viel, viel mehr? ...
GAG wischt sich über die feuchtgewordenen Augen.
Winkelmann schenkt dem Grafen Wein ein, schiebt ihm mitfühlend das Glas über den Tisch entgegen. Der Graf leert es nach einem tiefen Stoßseufzer mit einem Ruck.
WINKELMANN
(schenkt sich selbst ein und trinkt)
Ja ... Ein Amtmann, ein Kaufmann und ein Künstler haben das Denkmal fertigen lassen ... von eig’nem Geld! Als Geschenk der Bürger an ihre schöne Stadt. Zur stolzen Erinnerung an einen berühmten großen Oldenburger. Und geschaffen nach einem Bildnis aus meiner wundervollen Winkelmann-Chronik ... Herrje, jetzt fang ich auch noch das Heulen an ...
Winkelmann wischt sich ebenfalls eine Träne aus dem Augenwinkel, nimmt dem Grafen mit einem schnellen Griff den Computer weg und schaut schaut selbst auf’s Display.
WINKELMANN
Und wisst Ihr, warum diese Drei dieses Denkmal erbaut haben? Hier sagt es einer der Männer ... Horst heißt er ...
GAG
Graf oder Herzog?
WINKELMANN
Nein, er war ... (geht dichter ans Display) Oberbürgermeister ... Präsident des Landes Oldenburg ... der höchste Amtmann in ganz Niedersachsen ...Horst hat gesagt: »Weil Graf Anton Günther nicht nur die Pferdezucht betrieben und den Weserzoll eingeführt hat, sondern auch ein Friedenspolitiker gewesen ist, der die Stadt vor dem 30jährigen Krieg bewahrt hat.«
GAG
Recht spricht der Mann! Ich habe ja auch nie je eine Rüstung getragen, so wie Meinesgleichen andere alle so gern ... (ungeduldig halb aufstehend) Also, Winkelmann! Wo steht mein Denkmal auf dem edlen Ross? ... Draußen vor dem Schloss?
Schnitt. Schnelle Video-Montage: Medienberiche über den Oldenburger Denkmalsstreit. Fotos (Schwandner, Stamm, Schwandners Frau und Bundesministerin Wanka), TV-Clips, Zeitungsauschnitte, rot eingekringelte und vergrößerte Presse-Zitate:
»Zu bieder«, «Keine zeitgenössische Kunst«, »Zu wenig abstrahierend«, »Historisch nicht tragbar« etc. etc.
Darüber:
OFF-SPRECHER
Tja ... und dann versucht der arme Winkelmann, dem noch viel ärmeren Grafen im Schnelldurchlauf diese ganze lächerliche und peinliche Oldenburger Beamtenposse um sein Denkmal zu verklickern: Das Gegockel und Gekunkel der Minister und ihrer Amtsleute. Das Getue und Geziere der Museumsdirektoren, das ganze Intrigieren und sich aus dem städtischen Heusack fett und feist fressender, sogenannter »Kulturschaffender« ...
Schnitt. Zurück im Salon am Tisch vorm Kamin.  
WINKELMANN
(über den Tabletcomputer gebeugt)
... und hier nennt ein gewisser Sebastian, der Bär, der nennt Euer Reiterdenkmal eine »ab-so-lu-tis-tische Herrscher-i-ko-no-gra-phie« ... Und dabei ist seine »Par-tei« diejenige, die nach langen Friedensjahrzehnten wieder deutsche Soldaten in einen Krieg geschickt haben ... Die Grü-nen ...
GAG
Anscheinend nicht nur hinter den Ohren! Wovon spricht dieser grüne Junge?
WINKELMANN
Ich glaube, er meint, man dürfe heute Ihr Denkmal nicht aufstellen, weil Sie damals ein absoluter Herrscher waren, Hochgeboren.
GAG
(erregt über solch Unverständnis)
Ja, was hätte ich denn sonst sein sollen? Ein dummer Junge so wie er? ... Und dieser ganze eitle, elende Hofstaat! Alle wieder in ihrer eingebildeten Wichtigkeit gekränkt, diese GEcken, diese Gockel, diese Lackaffen! ... Herr im Himmel, das ist ja noch genau wie früher! Wofür waren wir da 350 Jahre lang tot, Winkelmann?
WINKELMANN
(beschwichtigend)
In Rastede oder in Neuenburg oder überall anders nähme man Euer Denkmal mit Kusshand, Hochgeboren!
GAG
(wütet)
Ich will es hier! Vor meiner Residenz! Wo denn sonst? Im Hei-zungs-kel-ler? ... Wer ist für diesen ganzen Bockmist verantwortlich? Wer regiert denn gerade mein Land? Der Dänenkönig?
WINKELMANN
(grinsend)
Sowas Ahnliches ... Ein Schwabe. Moment (Er tippt auf’s Display) ... Ein gewisser Schwand-ner ... Gerd.
GAG
Graf Gerd? ... Oder Herzog Gerd?
WINKELMANN
Nein, äh ... nur Gerd! Ein einfacher Bürgerlicher. Mit eitlem Drang nach droben. Nun ja, Hochgeboren, die Menschen heuzutage leben in einer De-mo-kra-tie ... Und da kann wirklich je-der ...
GAG
De-mo-kra-tie?
WINKELMANN
(ein bisschen euphorisch)
Ja! ... Alle Menschen sind jetzt gleich! ... Und das Volk wählt sich seine Regenten selbst!
GAG
(erst noch skeptisch, dann listig)
Alle Menschen gleich? ... So-so ... Aber manche doch wohl immer noch etwas gleicher als andere ... O-der, mein Winkelmännchen?
WINKELMANN
(seufzt)
Doch. Ja. Offenbar schon. Schon sehr offenbar.
GAG
(zufrieden)
Und wer also regiert mein Oldenburg nun wirklich?
WINKELMANN
(seuft noch tiefer)
Eigentlich ... zwei Frauen. Drüben im Hannoverschen ...
GAG
Frau-en?
WiNKELMANN
Ja! Zuerst die Gemahlin vom Schwandner Gerd ...
GAG
Die Frau-uuu? Die Frau von einem Geee-rd? ...
WiNKELMANN
Ja! Und ihr ... ihre Ministerin. Eine Frau Wanka. Jetzt sogar Bundesministerin. Und alle nicht aus Oldenburg! ... Genau wie unter den Dänen damals!
GAG
(extrem befremdet)
Und dieser Graf, die-ser „Gerd“ ... ist der beliebt beim Volk? ... So wie ich?
WINKELMANN
Äh ... nein. Nein, ganz im Gegenteil!
GAG
Ach. Und dennoch wurde er erwählt? Warum wieso denn dann?
WINKELMANN
Weil ... weil er vor seiner Wahl den Oldenburger Bürgern versprach, dass ein gewisses Ein-kaufs-zen-ter nicht gebaut werden würde.
GAG
(legt fragend den Kopf schief)
Ein-kaufs-zen-ter? Was zum Teufel ist das, Winkelmann? Eine Kirche?
WINKELMANN
(amüsiert)
So etwas Ahnliches! Eine Konsumkirche ... Nein, Hochgeboren, eine gigantische Markthalle, eine kathedralengroße Kaufhalle, ein ... ich war ja schon mehrfach drinnen ... aber seht doch selbst!
WInkelmann springt auf, langsamer gefolgt von Graf Anon Günther, eilt zum verhangenen Fenster und reißt die Gardinen auf.
Kamerafahrt: Zoom aus dem Fenster über den Schlossplatz hinüber zum Neubau-Elend ECE.
GAG
(Aus dem Off, ehrlich entsetzt)
Gott ... Wie schreck-lich ... Und genau gegenüber des Schlosses! Und auch noch größer als mein Schloss! ... Und das ist ... das ist schön? Und mein Denkmal sei es nicht?
WINKELMANN
(aus dem Off, zynisch begeistert)
Das ist doch noch gar nichts, Hochgeboren! In Braunschweig hat man das Ein-kaufs-zent-ner gleich in das alte Schloss hineingebaut! ... Das ist zeitgemäß! Das ist modern! ... Unddas bringt Geld ...
GAG dreht sich angeekelt vom Fenster ab, nimmt dann entschlossen wieder am Tisch Platz.
GAG
Winkelmann, wenn das hier und heute wirklich so eine De ... eine De-mos-ko-pie sein soll ...
WINKELMANN
Eine De-mo-kra-tie ...
GAG
... eine De-mo-kra-tie, in der das Volk bestimmt, was entschieden und getan werden soll ... na, dann werden wir eben das Volk befragen! Kommt, Winkelmann! Los! Schreib er! ... Wir, Anton Günther, Graf zu Oldenburg und Delmenhorst ...
Winkelmann setzt sich in Hab-Acht-Stellung, startet sein Textprogramm und beginnt eifrig, das Diktat des Grafen mitzutippen – mit zwei noch etwas ungeübten Zeigefingern.
GAG
... Herr zu Jever und Kniephausen e-t-c-p-p-p ... fordern unser freies Oldenburger Volk auf, in neudemokratischer Weise abzustimmen über die Aufstellung unseres Denkmales auf unserem Schlossplatz vor unserem Schloss. Dem Entschluss des Volkes ist, insbesondere von nicht-oldenburgischen Amtspersonen, unter sonstweiliger Androhung von Stadtverweis und Ehrverlust umgehend Folge und fälliger Verwaltungakt zu leisten ...
WINKELMANN
(hebt eifrig fingerschnippend die Hand auf wie in der Schule)
Um’s noch demokratischer zu machen, könnte man ja auch zwei Denkmäler zur Wahl stellen: Euch auf Eurem Pferd ... und dann noch diesen Gerd ... auf einer Kanonenkugel reitend wie dieser Baron Münchhausen ... ach, den kennt Ihr ja nicht ...
GAG
... gegeben im Jahre des Herrn ... Wie viel noch mal? ... Zweitausendunddreizehn, wenn ich’s recht verstanden hab, undsoweiter undsoweiter. Signum, Wappen, Siegel. Ich kann mich auf Euch verlassen, Winkelmann? Er erledigt das? Hurtig und gewiss? Also ... so-fort?
Ein tiefer, donnernder Gongschlag ertönt. Die Musik aus dem 17. Jahrhundert beginnt wieder leise zu spielen. Und der optische „Beam-Effekt“ setzt erneut ein - nur diesmal rückwärts: Graf Anton Günther beginnt sich unter kosmischen Sirren langsam wieder zu de-materialisieren.
GAG
Meine Zeit ist um! ... Oh Gott ... Zurück in die Gruft ... Das wird langweilig! ... Sorgt für mein Denkmal, Winkelmann! ... (Seine Stimme ist jetzt schon sehr weit Weg und hallend) Und wenn ihr dafür bis zum Kai-ser gehen müsst!
WINKELMANN
(eilig ihm hinterher rufend)
Es gibt keinen Kaiser mehr! Nur noch einen Bun-des-kanz-ler! ... Gott, was rede ich ... Ei-ne Bun-des-kanz-le-riiin! ...
Der letzte erkennbare Schemen von GAG greift blitzschnell über den Tisch und schnappt Winkelmann den Computer vor der Nase weg.
GAG
(fast schon ganz durchsichtig, Stimme mit anwachsenden Hall)
Mir egal! Aber dafür gibt es das hier! Die Zaubertafel! ... Winkelmann, erledigt Eure Arbeit und lebet oder besser sterbet wohl! ... (Jetzt voller Hall) Und haltet Euch fern vom Alkohol! ... Und diesem verdammten Weibsvolk!
Der Graf, im allerletzten erkennbaren Schatten noch triumphierend mit dem Tablet winkend, verschwindet ganz.
Die Klassikmusik klingt wieder aus. Dafür wird langsam lauter werdende, lässige Jetzt-Zeit-Musik hörbar

Graf Anton Günther nach Oldenburg

"Natürlich gehört Graf Anton Günther nach Oldenburg und auf den Schlossplatz – neben sein „Haus... Das wäre ein wunderschönes Bild."

Udo Lux, Oldenburg

Skulptur auf den Oldenburger Schloßplatz

"Ich wünsche mir, dass die Bronze-Skulptur „Graf Anton Günther und sein Kranich“ demnächst auf dem Schlossplatz steht."

Ingeborg Deeke, Oldenburg

Geschichte Oldenburgs mit Graf Anton Günther verbunden

"Wenn es um die Geschichte Oldenburgs geht, ist sie doch untrennbar mit Graf Anton Günther verbunden... Zu „unserem“ Grafen gehört sein Schloss, da sollte es kein Wenn und Aber geben...

Isolde Sudmann, Oldenburg